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Mittelstand ist fit für Industrie 4.0

Dem deutschen Mittelstand gelingt es immer besser, die Potenziale der digitalen Transformation zu erschließen und dadurch Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Erfolgsgarant dafür ist die enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um Ergebnisse aus der Spitzenforschung in die industrielle Anwendung zu bringen. Dieses Fazit zogen 280 Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft aus ganz Deutschland auf dem zweiten Fachkongress „Industrie 4.0 in der Praxis“ am 11. und 12. Mai in Paderborn. Sie diskutierten Lösungen, Erfahrungen und künftige Herausforderungen auf dem Weg zur intelligenten Produktion.

Veranstalter des Kongresses sind der Spitzencluster it´s OWL in Kooperation mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), den Programmen Smart Service Welt und Autonomik für Industrie 4.0 des Bundeswirtschaftsministeriums, der Nationalen Plattform Industrie 4.0, Produktion NRW, dem Projektträger Karlsruhe und Digital in NRW – Das Kompetenzzentrum für den Mittelstand. Der Spitzencluster it`s OWL wird vom Bundesforschungsministerium mit rund 44 Mio. Euro unterstützt.

Thomas Rachel, MdB (Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung) hebt die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft – beispielsweise in der Nationalen Plattform Industrie 4.0, in Technologie-Netzwerken und in Forschungsprojekten – als wichtigen Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 hervor: „Wir unterstützen insbesondere mittelständische Unternehmen dabei, ihre Technologien und Geschäftsmodelle zu erneuern. Die enge und vertrauensvolle Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, so wie sie bei it´s OWL gelebte Praxis ist, das ist die Basis für unseren internationalen Erfolg. Wir sind bei Industrie 4.0 gut aufgestellt und nehmen mit unserer Forschung auch ganz bewusst Einfluss auf die Arbeitswelt von morgen. Denn ich bin überzeugt von dem Gedanken, dass wir gerade in Zeiten des Wandels als Bundesregierung gestalten müssen. Dafür brauchen wir gute Forschung und unsere Werteorientierung, erst recht bei der Frage, wie wir künftig arbeiten wollen.“ Das BMBF hat für Projekte im Kontext Industrie 4.0 bisher Fördermittel in Höhe von über 470 Millionen Euro bewilligt. Zudem unterstützt das Ministerium die Erforschung der künftigen Arbeitswelt mit dem Programm "Zukunft der Arbeit", das mit einer Milliarde Euro ausgestattet ist.

Technologien in den Mittelstand bringen und weiter entwickeln

Prof. Dr.-Ing. Roman Dumitrescu (Geschäftsführer it´s OWL Clustermanagement GmbH und Direktor Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM) sieht für den deutschen Mittelstand hervorragende Perspektiven, um aus der digitalen Revolution als Gewinner hervorzugehen: „Wir können neue Technologien immer besser für die Unternehmen nutzbar machen, um Produkte und Produktionsverfahren zu optimieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Im Spitzencluster it´s OWL haben wir beispielsweise eine Technologieplattform mit Basistechnologien entwickelt und 34 Unternehmen gegründet. Zudem haben wir in 170 Transferprojekten kleine und mittlere Unternehmen bei ihren ersten Schritten zur Industrie 4.0 begleitet. Wichtige Zukunftsthemen sind Safety and Security, digitale Infrastruktur, Advanced Systems Engineering und das Zusammenspiel von Mensch und Maschine in der Arbeitswelt der Zukunft.“

Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl (Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA) ergänzt: „Wir erwarten, dass es in drei Jahren über 50 Milliarden vernetzte Geräte, sogenannte IoT Devices, geben wird. Viele davon im Consumer-Bereich. Im industriellen Sektor ist es höchste Zeit nachzuziehen. Der Weg vom cyber-physischen zum autonomen System führt über das maschinelle Lernen, hier wird zurzeit am Fraunhofer IPA besonders intensiv geforscht. Unsere Griff-in-die Kiste-Roboter konnten die Prozesssicherheit stetig steigern – durch Online-Lernen mit jedem erfolgreichen oder fehlgeschlagenen Greifversuch. Die digitale Transformation betrifft aber nicht nur die Technologien sondern auch die Organisation. Mit dem Wandel zu offenen servicebasierten Plattformen gehen natürlich disruptive Veränderungen in unterstützenden Bereichen wie Bestellung, Vertrieb, Marketing usw. einher.“

Die besondere Bedeutung von Plattformen für die Wertschöpfung erläutert Prof. Dr. Dennis Kundisch (Software Innovation Campus Universität Paderborn): „Plattformen haben eine disruptive Wirkung auf praktisch alle Branchen und schöpfen einen Großteil der Gewinne ab. Im Sonderforschungsbereich 901 "On-The-Fly Computing" erforschen wir, wie der Softwaremarkt der Zukunft als Plattform gestaltet werden kann." So sollen z. B. individualisierte Softwarelösungen für Anwendungen in der Industrie automatisiert erstellt werden. Dabei werden Anforderungen durch eine semantische Analyse eigenständig in eine Spezifikation der Software überführt. Auf dieser Grundlage werden Software-Bausteine aus einer domänenspezifischen Plattform für die jeweilige Anwendung automatisiert zusammengeführt. Einsatzbereiche sind beispielsweise Maschinensteuerungen oder Bildverarbeitung. Ein Prototyp der Software-Plattform steht voraussichtlich in zwei Jahren zur Verfügung.

Farming 4.0 als Vorbild für die vernetzte Produktion

Den Weg eines erfolgreichen Mittelständlers beschreibt Thomas Böck (Geschäfts-führer Technologie und Systeme bei Claas): „Die Systemgrenzen zwischen Maschinen, Menschen und Umwelt verschwinden. Die zunehmende Vernetzung involviert uns in die Kundenprozesse. Auf Grundlage einer sicheren und stabilen Infrastruktur für vernetzte Systeme strukturieren wir unsere Vertriebs- und Erbringungswege neu.“ Die Landmaschinen werden intelligenter und leistungsfähiger. Die Akteure wie beispielsweise Landwirt, Mähdrescher-Fahrer und Abfuhrunternehmen werden miteinander vernetzt. Im Ergebnis bietet Claas seinen Kunden ein cloudbasiertes Farm-Management – von der Kultivierungsplanung bis zur Ernte, von der Dokumentation bis zur Unternehmensanalyse. „Dadurch können unsere Kunden Effizienzsteigerungen von bis zu 20 % erzielen“, ergänzt Böck.

Weitere Einblicke in die Praxis vermittelten die Unternehmen aus den Projekten der Forschungsinitiativen Intelligente Vernetzung in der Produktion und KMU Innovativ (BMBF), Smart Service Welt und Autonomik für Industrie 4.0 (BMWi) sowie Spitzencluster it‘s OWL. Beispielhafte Lösungen präsentierten u.a. 3RS Software, Atos, Beckhoff, Claas, DMG Mori, Felss, GEA, Lenze, KEB, Salt Solutions, Siemens, Wibu Systems und Wago. Themenbereiche sind beispielsweise intelligente Maschinen und vernetzte Anlagen, modulare Antriebstechnik und energieeffiziente Logistik, der Einsatz von Augmented Reality und Datenbrillen in der Produktion sowie neue Geschäftsmodelle.

Effiziente Produktion durch intelligente Steuerung und Scientific Automation

Beckhoff Automation hat beispielsweise gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Industriepartnern aus dem Maschinenbau und der Küchenmöbelindustrie hoch performante Steuerungstechnik und eine Scientific Automation Plattform erforscht. Kern der hochleistungsfähigen Steuerungstechnik sind Industrie-PCs mit Many-Core-Technologie. Die Steuerungssoftware von komplexen Produktionsmaschinen wird verteilt auf den Kernen eines Many-Core-PCs unter harten Echtzeitbedingungen hoch performant und präzise abgearbeitet. Testanwendungen belegen, dass allein durch Nutzung der Many-Core-Technologie Prozesszeiteinsparungen von bis zu 10% möglich sind.

Diese Steuerungstechnik bietet ausreichend Rechenleistung für den Einsatz von Scientific Automation in der Produktion. Die Integration von Messtechnik, Condition Monitoring, Analyse- und Lernverfahren in die Standard-Automatisierungstechnik ermöglicht z. B. Schwingungen, Temperaturen, Drücke oder Energieverbräuche präzise zu erfassen und direkt in der Steuerung ohne Verlustzeiten zu analysieren. Das Softwarewerkzeug TwinCAT Analytics erstellt ein komplettes zeitliches Abbild des Prozesses und der Produktionsdaten. Durch Nutzung dieser Technologien werden umfassende Zustandsanalysen, eine vorausschauende Wartung sowie eine energieverbrauchsoptimierte Produktion möglich. Der Einsatz von Scientific Automation führt beispielweise bei einem Sägemodul des Unternehmens Schirmer zu einer Energieeinsparung von 17% sowie zu geringerem Verschleiß und Geräuschbelastung.

Der Kongress ist Teil des „Wissenschafts- und Industrieforums Intelligente Technische Systeme.“ Das Wissenschaftsforum legt den Schwerpunkt auf die Grundlagen und die Entwicklung intelligenter Produkte und Produktionsverfahren. Veranstalter sind das Heinz Nixdorf Institut und das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM.

Das Technologie-Netzwerk it´s OWL

Im Technologie-Netzwerk it‘s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe – entwickeln rund 200 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in 47 Projekten gemeinsam Lösungen für intelligente Produkte und Produktionssysteme. Das Spektrum reicht von intelligenten Automatisierungs- und Antriebslösungen über Maschinen, Fahrzeuge und Hausgeräte bis zu vernetzten Produktionsanlagen. Ausgezeichnet im Spitzencluster-Wettbewerb des BMBF gilt it´s OWL als eine der größten Initiativen für Industrie 4.0 in Deutschland. www.its-owl.de

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