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Free Creativity: Kreativität ist tot, es lebe die Kreativität

Der Innovationshype und der Versuch, Kreativität ökonomisch verfügbar zu machen, führen nicht zu mehr, sondern zu weniger Kreativität. Worauf es – gerade in der Post-Corona-Ökonomie – ankommt, um Kreativität unternehmerisch sinnvoll zu integrieren, zeigt die neue Studie „Free Creativity“ des Zukunftsinstituts.

Kreativität scheint heute ein Muss für ökonomischen Erfolg zu sein. Design Thinking ist en vogue, Unternehmen investieren Unsummen in physische Kreativitätsräume und Workshops. Die Hoffnung dahinter: mehr Kreativitätsmanagement gleich mehr Umsatz. Die Folge ist ein Zwang zur Kreativität, für Unternehmen wie für Beschäftigte, bei dem die eigentliche Bedeutung und Kraft von Kreativität verloren geht.

„Kreativität ist heute Methoden-Hype und zugleich Produkt des Kapitalismus – alles wird als Kreativität verkauft. Genauer betrachtet ist Kreativität heute aber vor allem eines: Imageaufhübschung und Fassadenmanagement“, sagt Studienleiterin Verena Muntschick. „In dieser Form bröckelt Kreativität zusehends. Deshalb ist es Zeit, sich zurückzubesinnen auf die Urfunktion von Kreativität – als Strategie der Realitätsbewältigung.“

 Wie Kreativität Unternehmen in Zukunft weiterbringt
Kreativität ist die Basis kultureller Entwicklung und das Erfolgsgeheimnis menschlicher Evolution. Um diese Kraft unternehmerisch voll entfalten zu können, muss Kreativität vom unmittelbaren ökonomischen Zwang und Zweck befreit werden. Denn nur dort, wo frei gedacht werden kann, wird starke kreative Energie frei. Zukunftsgewandte Kreativität dekonstruiert Realität und öffnet den Blick für alternative Entwürfe von Wirklichkeit und Wege in die Zukunft. Das heißt auch: Free Creativity braucht Unproduktivität, um produktiv zu sein.

Wo Unternehmen sich heute noch mit der Frage beschäftigen, wie sie ihre Organisation und ihre Beschäftigten noch kreativer machen können, wie sie Kreativität herstellen, einfangen, fördern können, heißt es in Zukunft, genau diese Ansätze einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Dringlicher wird vielmehr die Frage: Was kommt nach dem Hype um Kreativität als ökonomische Leistungsmaschine?

 4 Thesen zur Kreativität der Zukunft

These 1: Kreativität ist kein Instrument zur Gewinnmaximierung, sondern Quelle sinnhafter Innovationen.

Zukunftsfähige Innovationen orientieren sich nicht primär daran, wie sehr sie beeindrucken oder wie viel Aufmerksamkeit sie auf sich ziehen. Sie sind stattdessen konsequent ausgerichtet auf Sinnfragen, Motive und menschlichen Nutzen, indem Kreativität bewusst in diesen Kontexten einen offenen Raum und Zeit zur Entfaltung bekommt – und so auf ihre Urfunktion zurückgeführt wird. Nur so entsteht strategische Innovationskompetenz für die Sinnmärkte von morgen.

These 2: Kreativität braucht mehr Möglichkeitsräume, nicht mehr Management.

Bildung fokussiert künftig auf eine Balance zwischen einem kritischen Umgang mit Wissen und der Möglichkeit zur freien kreativen Entfaltung von Menschen. Akteure im Bildungs- und Weiterbildungsbereich werden zu Ermöglichern und Begleitern bei diesem Prozess. HR wandelt sich von Human Resources zu Human Relations: In zukunftsorientierten Unternehmen steht nicht mehr die Förderung der Kreativität von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Mittelpunkt, sondern ihre Begleitung bei der Entwicklung von unterschiedlichen Skills und Fachwissen sowie von gemeinsamen Werten.

These 3: KI ist eine Inspirationsmaschine für menschliche Kreativität.

Kreativität gilt vielen als unberechenbar, weil sie sich häufig in einzigartigen Einfällen zeigt, hervorgebracht durch inspirierte Akte. Deshalb werfen Künstliche Intelligenzen, die künstlerisch-musische Praktiken beherrschen, grundlegende Fragen auf: Lässt sich Kreativität durch Algorithmen mathematisieren? Eine finale Antwort steht zwar noch aus, aber alles deutet darauf hin, dass Menschen sich mit ihrer Unberechenbarkeit und Intuition aus kreativen Prozessen nicht wegrationalisieren lassen.

These 4: Ohne freie Kreativität keine gesellschaftliche Evolution.

Der schillernde Begriff Kreativität verblasst in der Wirtschaft. Somit löst sich Kreativität mehr und mehr von ihrer Funktion, lediglich auf ökonomischen Erfolg fokussierte Innovationen zu produzieren, und wird Teil einer post-individuellen Grundhaltung. Kreativität findet wieder mehr Raum im Wir, das gestalten möchte, und weniger im Ich, das sich darstellen muss – es geht weniger um das ständig Neue und mehr um das fantasievolle Andere. Zukunftsgewandte Kreativität dekonstruiert Realität und öffnet den Blick für alternative Entwürfe von Wirklichkeit und Wege in die Zukunft.
 
Free Creativity – Wie wir die Welt verändern können | Studienleitung: Verena Muntschick | Autoren: Ella Kaltenegger, Jakob Kibala, Verena Muntschick, Lena Papasabbas, Nina Pfuderer, Selina Salam, Christian Schuldt, Janine Seitz | Mai 2020| 144 Seiten | ISBN: 978-3-945647-68-4

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